Neurologische und psychiatrische Riechstörungen

Bei neurologischen und psychiatrischen Krankheiten treten häufig Riechstörungen auf. Dazu zählen zum Beispiel:

  • Morbus Alzheimer
  • Morbus Parkinson
  • Down-Syndrom
  • Huntington-Chorea
  • Encephalomyelitis disseminata (ED)
  • Epilepsie
  • Multiinfarkt-Demenz
  • Schizophrenie
  • Korsakoff-Syndrom / Alkoholabhängigkeit
  • Schlaganfall
  • normaler Alterungsprozess

Es ist unwahrscheinlich, dass die Riechstörung nur eine unspezifische Störung des ZNS im Rahmen einer neurodegenerativen Erkrankung ist, da

  1. bei Morbus Alzheimer und Morbus Parkinson das Riechdefizit lange vor den anderen Symptomen, die durch die Hirnveränderung ausgelöst werden, offensichtlich wird,
  2. bei Morbus Alzheimer und Morbus Parkinson starke Riechdefizite auffallen, während bei Huntington-Chorea, Multiinfarkt-Demenz und Schizophrenie oft nur leichte Riechdefizite bestehen,
  3. bei Morbus Parkinson kein Zusammenhang zwischen Riechdefizit und Progression der Erkrankung besteht, während bei Morbus Alzheimer eine Korrelation zu verzeichnen ist,
  4. bei Encephalomyelitis disseminata für das Riechdefizit Entmarkungen innerhalb der Riechbahn entscheidend sind, nicht aber in anderen Hirnregionen. [1]

Morbus Alzheimer

Die Diagnose des Morbus Alzheimer ist erst nach einer Autopsie gesichert; allerdings wird von der Krankheit ausgegangen, wenn beim lebenden Patienten eine langsame Entwicklung eines Erinnerungsverlustes eintritt. Die Prüfung des Riechvermögens könnte einen frühzeitigen Hinweis auf eine Erkrankung an Morbus Alzheimer geben, weil das Riechdefizit ein Frühsymptom darstellt.

Das Riechdefizit bei Morbus Alzheimer

  • tritt beidseitig auf,
  • ist ausgeprägt,
  • ist selten eine totale Anosmie,
  • tritt bei 85–90 % der Patienten auf,
  • betrifft männliche Patienten in stärkerer Ausprägung als weibliche,
  • ist spezifisch und scheint den Geschmackssinn nicht zu betreffen,
  • wird von den Patienten subjektiv nicht angegeben, ist aber beim Riechtest offensichtlich und liegt beim UPSIT durchschnittlich bei einem Ergebniswert von 20 Punkten (Doty et al., 1987 [2] beschreiben, dass 2 von 34 Patienten [6 %] im Frühstadium des Morbus Alzheimer subjektiv ein Riechdefizit angeben, im UPSIT jedoch haben 90 % der Patienten niedrigere Testwerte),
  • wird im Verlauf der Krankheit immer größer, allerdings ist die Durchführung eines UPSIT mit dementen Patienten immer schwerer möglich,
  • ist als Frühsymptom wichtig zur Unterscheidung der Erkrankung, z. B. gegenüber einer Depression.

Morbus Parkinson

Die Riechstörung bei Morbus Parkinson

  • ist wie bei Morbus Alzheimer beidseitig, ausgeprägt, selten mit einer totalen Anosmie assoziiert, ausgeprägter bei männlichen als bei weiblichen Patienten, auch subjektiv oftmals unerkannt, aber im UPSIT mit Ergebnissen um 20 Punkten,
  • ist im Gegensatz zum Morbus Alzheimer nicht korreliert mit dem Fortschreiten der Erkrankung,
  • ist nicht korreliert mit der Stärke der motorischen Schäden (Tremor, Akinese, Rigor)
  • wird nicht beeinflusst durch eine Anti-Parkinson-Medikation (z. B. L-Dopa, Dopamin-Agonisten, Anticholinerge Mittel).

Down-Syndrom / Trisomie 21

Es fällt auf, dass erwachsene Down-Syndrom-Patienten Riechdefizite haben. Hof et al., 1995 [3] beschreiben Amyloidablagerungen im Bereich der Riechhirnrinde in 19jährigen Patienten, die am Down-Syndrom gelitten haben.

Encephalomyelitis disseminata

Bei der Encephalomyelitis disseminata kommt es eher zu einem geringen Riechdefizit. Es scheint ein direkter Zusammenhang zwischen Demyelinisierung im Bereich der Riechhirnrinde und dem Auftreten des Riechdefizits zu bestehen. Wenn eine Demyelinisierung in anderen Hirnregionen besteht, scheinen Patienten gut riechen zu können [1].

Schizophrenie

Die Riechstörung bei Schizophrenie

  • ist oft schwächer ausgeprägt als bei Morbus Alzheimer oder Morbus Parkinson (nach einer Meta-Analyse beschreiben Doty et al . [1] einen UPSIT-Wert von 32,5)
  • erscheint bei neuropsychologischen Tests eher mit der Frontallappenfunktion als mit der medialen Temporallappenfunktion verknüpft zu sein
  • nimmt in der Regel im Lauf der Erkrankung zu.

[1] Doty RL. Oder Perception in Neurodegenerative Diseases. In: Doty L (Ed.). Handbook of Olfaction and Gustation. 2nd rev. and exp. ed. New York 2003

[2] Doty RL, Reyes PF, Gregor T. Presence of both odor identification and detection deficits in Alzheimer's disease. Brain Res Bull. 1987; 18:597-600

[3] Hof PR, Bouras C, Perl DP, Sparks L, Mehta N, Morrison JH: Age-related distribution of neuropathologic changes in the cerebral cortex of patients with Down's syndrome. Arch Neurol. 1995; 52:379-391